Mina K.
Zwischen zwei Welten

CSD Recklinghausen (8. Juni 2024)

Nach meinen ganzen Coming-outs in den letzten Monaten war es an der Zeit für meinen ersten CSD. Den in Gelsenkirchen haben wir verpasst, aber in Recklinghausen waren meine Frau und ich dabei. Aber wir waren nicht allein, denn unsere Tochter, die mittlerweile unser Trans-Sohn geworden ist begleitete uns mit ihrem Freund. Außerdem war unser neuestes Familienmitglied Yuna mit von der Partie. Wir hatten vorsichtshalber einen Fahrradanhänger für Hunde dabei, den man zu einer Art Kinderwagen umbauen und schieben konnte.

Ich hatte mein komplettes Outfit in den Symbolfarben für "genderfluid" gehalten und trug schwarze Schnür-Sandaletten mit 4cm Trichterabsatz, eine weiße Netzstrumpfhose, meinen kurzen blauen Jeansrock und ein enganliegendes kurzärmeliges Top mit einem wilden Muster in Magenta, Rosa, Weiß und Schwarz. Meine Ohrringe waren herzförmige Pride-Flaggen in den gleichen Farben. Und sogar meine Finger- und Fußnägel erstrahlten ebenso bunt.

Erstaunlicherweise haben wir es nach einem etwas hektischen Aufbruch tatsächlich geschafft, uns pünktlich am Sammelpunkt Europaplatz einzufinden. Nach einer kurzen Gassi-Runde mit unserem neuen Hund ging es auch schon um kurz nach 13 Uhr los. Angeführt von den Dykes on Bikes trotten wir inmitten einer bunten Gruppe einmal rund um den Wall. Zwischendurch gab es zwei kurze Kundgebungen.

Es war angenehm warm und wir hatten in der Eile nichts zu essen oder trinken eingepackt. Bei einem Kiosk scherte ich kurz aus der Menschenmenge aus und ging hinein, um ein paar alkoholische und nicht-alkoholische Getränke sowie ein paar Schokoriegel zu besorgen. Der türkische Ladenbesitzer, der mit seinem Handy die Demo gefilmt hatte, war sehr freundlich zu mir.

Zu dem Zeitpunkt führte ich unsere kleine Spitz-Hündin an der Leine und war damit natürlich ein echter Hingucker. Hier und da kam ich mit anderen Leuten ins Gespräch, unter anderem mit einer jungen Frau von der Telekom. Wir plauderten kurz über unsere Arbeitgeber und trafen uns später in der Innenstadt wieder.

Auf dem Löhrhof hinter dem Palais Vest fanden nach der Demo weitere Kundgebungen und später ein Konzert statt. Wir verbrachten einige Zeit dort, doch dann  verspürten wir Hunger. Wir verließen den bunt geschmückten Platz und erforschten die Fußgängerzone. Im Café Extrablatt gönnte ich mir einen Wild Berry Lillet und einen Elsässer Flammkuchen.

Jacqueline und Marion waren inzwischen ebenfalls in Recklinghausen angekommen und per WhatsApp lotsten wir sie an unseren Standort. Nachdem ich meine leicht fehlerhafte Wegbeschreibung korrigiert hatte, sahen wir sie auch wenige Minuten später. Wir begrüßten uns wie immer herzlich und stellten ihnen unseren Sohn und seinen Freund vor. Wir bestellten eine weitere Runde Getränke und quatschten über dies und das.

Danach gingen wir auf eine kurze Shoppingtour und kehrten anschließend zum Löhrhof zurück, um das Konzert zu verfolgen. Prince Damien und ein paar andere Künstler haben wir zwar verpasst, aber Wanda Kay und Marcella Rockefeller haben die Bühne ordentlich gerockt. Marion und ich haben dazu getanzt. Bei Marcella sind mir die Songs teilweise noch näher gegangen als bei Wanda, aber das kann auch am gestiegenen Alkohol-Pegel gelegen haben, denn Marion hat uns eifrig mit Kleinen Feiglingen versorgt.

Und dann hatte ich diesen einen besonderen Moment bei einem Live-Konzert, kurz vor dem Ende, ganz vorne an der Bühne, Auge in Auge mit der Künstlerin. Marcellas gesungenen Worte trafen mich direkt ins Herz und wir hatten für einen kurzen Augenblick eine Verbindung zueinander.

Am Ende ihres Konzertes durfte Marcella noch ihren größten Fan Emely kennen lernen und sie sangen gemeinsam ihren Nr. 1 Hit aus den iTunes-Schlagercharts "Liebe ist alles", was auch sehr bewegend war, ebenso wie das Finale der Show.

Alles in allem war es eine gelungene Veranstaltung und hat uns allen großen Spaß gemacht.  Mein Sohn hatte sich zwischendurch sogar mit DJ gussfehler angefreundet, auf Social Media vernetzt und ein paar Selfies gemacht. Ich war so gut drauf, dass ich am liebsten noch zur After-Show-Party gegangen wäre oder wenigstens in den Burgtorclub. Jedoch stand ich mit meiner Euphorie und Energie weitestgehend alleine da: Die anderen waren zu erschöpft für noch mehr Party.

Wir verabschiedeten uns von Marion und Jacqueline und gingen so gegen 20 Uhr zu unserem Auto. Auf dem Weg nach Hause kehrten wir noch bei Sami ein, einem italienischen und sehr LGBTQ+-freundlichen Restaurant.

Fall sich jetzt Tierschützer um das Wohl unsere kleinen Hundedame sorgen: Natürlich sind wir mit ihr ausreichend Gassi gegangen, haben sie mit allem versorgt, was sie braucht und sie vor zu lauter Musik geschützt. Es war sicherlich sehr aufregend für sie, aber ich glaube sie hatte auch ihren Spaß.🐶


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