Mina K.
Zwischen zwei Welten

Vierzehnter Besuch im Burgtorclub

16. März 2024

An diesem Wochenende fand eine Travestieshow der Crazy LadyBoys statt, zu der Norma Jane meine Frau und mich an Weiberfastnacht eingeladen hatte. Sie meinte damals, die Vorstellung am Samstagabend wäre bereits ausverkauft, aber für Sonntagnachmittag seien noch Karten zu haben.

Wir wollten zusammen mit unserer Tochter kommen, haben es aber die ganze Zeit versäumt, uns ein paar Eintrittskarten zu sichern. Erst am Freitagabend rief ich die angegebene Telefonnummer an, um das nachzuholen. Am Telefon sagte man mir, dass es jetzt doch noch drei Karten für Samstagabend gäbe wo die Stimmung in der Regel ausgelassener sei als am Sonntag. Nach Absprache mit meiner Frau reservierte ich die drei Karten für uns.

Hätten wir nur die Karten für Sonntag bekommen, hätte ich vermutlich davon abgesehen, mich als Mina zurecht zu machen. Immerhin fand die Show am frühen Nachmittag im Vereinsheim (Restaurant "Nostos") eines Kleingärtnervereins (KGV Hafenwiese e.V.) statt und das zu erwartende Publikum würde vermutlich überwiegend aus alten Leuten bestehen. Aber am Samstagabend sah die Sache natürlich anders aus, zumal wir wussten, dass auch unser Freund Pavlos Karten für Samstag hatte.

Etwas später am selben Tag bekam ich eine Nachricht von Jacqueline, die wir erst letzten Samstag kennen gelernt hatten. Sie fragte, ob wir am Samstag auch in den Burgtorclub gehen würden. Ursprünglich war das zwar nicht geplant, aber da sich unsere Pläne fürs Wochenende nun ohnehin schon geändert hatten, stimmte ich spontan zu. Außerdem bot es sich ja geradezu an, nach der Show den Abend mit Freunden im Club ausklingen zu lassen.🙃

Vorsichtshalber frage ich meine Tochter, ob es für sie okay wäre, wenn sie heute zum ersten Mal mit zwei Mamis ausgehen würde. Seit meinem vollständigen Coming-out im letzten Oktober gab es zwar keine Geheimnisse mehr zwischen uns, aber ich wollte sichergehen, dass es ihr auch in der Öffentlichkeit nichts ausmachte. Aber wie ich meine liebe Tochter kenne, hatte sie keine Probleme damit.😘

Mein Outfit für den Abend bestand aus einem magentafarbenen Feinstrickpulli mit eingewebten Glitzerfäden und halblangen Ärmeln sowie einer dunkelblauen Leggings im Jeans-Look. Eine Hose war zwar ein eher ungewöhnliches Kleidungsstück für mich, aber ich fand, das passte besser zu meinen neuen weißen Missy Rockz mit Pfennigabsatz, die ich unbedingt anziehen wollte.

Es war noch hell draußen, als wir gegen 18:30 Uhr bei der Schrebergartenanlage ankamen. Die Vorstellung begann zwar erst um acht, doch wir wollten vorher noch etwas essen. Wir parkten an der Schützenstraße und mussten etwas 200 Meter zwischen den Gärten hindurch laufen, um zum Veranstaltungsort zu kommen. Vor dem Eingang standen bereits einige andere Gäste. Im Gegensatz zu früher fühlte ich mich davon jedoch kein bisschen verunsichert. Schnurstraks stöckelte ich zur Abendkasse und holte unsere Eintrittskarten. Die Bezahlung übernahm meine Frau weil sie in der Regel mehr Geld im Portemonnaie hatte.

Wir setzten uns an unserem reservierten Tisch und bestellten Getränke sowie etwas zu essen. Sven, der Chef der LadyBoys, lief teilweise geschminkt durch den Zuschauerraum um ein paar Bekannte zu begrüßen. Er winkte uns ebenfalls zu, obwohl wir uns gar nicht kannten. Vermutlich erkannte er in mir eine Freundin im Geiste.☺️

Ich hielt die ganze Zeit nach Pavlos Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Die Vorstellung begann pünktlich um acht Uhr und war sehr unterhaltsam. In der etwa zwanzigminütigen Pause zwischendurch gingen meine Frau und ich zum rauchen nach draußen. Unsere Teenager-Tochter blieb lieber drinnen bei ihrem Handy.

Um 23 Uhr war die Show vorbei und die meisten Gäste verließen den Saal. Wir warteten noch ein Weile bis Norma aus dem Backstagebereich kam und begrüßten sie kurz. Sie erkannte uns sogar wieder, obwohl wir uns bisher nur einmal vor über einem Monat an Weiberfastnacht begegnet sind. Da haben wir wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen.😁

Ich fragte Norma, ob sie gleich auch noch in den Club käme, doch sie verneinte, weil sie ja morgen Nachmittag auch noch eine Vorstellung hatte. Wir verabschiedeten uns und wollten gehen. Am Ausgang wurde meine Frau von der netten Dame an der Kasse auf ihre originelle Handtasche angesprochen und es entwickelte sich ein längeres Gespräch bei dem sich herausstellte, dass sie Svens Frau war und aus der Modebranche kam. Jetzt half sie dabei, die Kostüme für die Show zu entwerfen und zu nähen. Sven kam kurz darauf auch hinzu und beteiligte sich an der Unterhaltung. So erfuhren wir noch weitere Details aus dem Leben eines Travestiekünstlers.

Es war schon fast halb zwölf, als wir das Gelände verließen. Bevor wir zum Burgtor fahren konnten, mussten wir erst noch unsere minderjährige Tochter nach Hause bringen. Sie durfte solche Lokalitäten noch nicht besuchen. Aber wenn sie 18 ist, nehmen wir sie bestimmt mal mit, damit sie das bunte Treiben dort auch einmal kennen lernen kann, denn eigentlich müsste das genau ihr Ding sein.🏳️‍🌈🏳️‍⚧️

Im Auto schrieb ich Jacqueline, dass wir gleich bei ihnen sein würden. Sie hatte mir schon während der Vorstellung mitgeteilt, dass sie bereits da wären. Um kurz nach Mitternacht kamen meine Frau und ich am Burgtorclub an. Marion, Jacqueline und Christel standen draußen bei einer Zigarette und erwarteten uns bereits. Wir begrüßten sie und den netten Türsteher und gingen hinein. Sie hatten sich den Ecktisch rechts vom Eingang gesichert, an dem auch noch zwei Plätze für uns frei waren.

Es dauerte nicht lang bis die flotte Ulla zu uns kam, uns abknutschte und unsere Bestellung aufnahm. Wir plauderten derweil mit unseren neuen Freunden. Vor allem Christel lächelte noch mehr als bei der letzten Begegnung. Man sah ihr an, dass es ihr gut tat, unter gleichgesinnten zu weilen.

Wir entdeckten Lilith an der Bar sitzen und gingen hinüber um sie zu begrüßen. Ihre Partnerin Lisa hatte heute zusammen mit Mia Thekendienst. Etwas später stand auch Lilith hinter der Bar. Ulla erzählte uns, dass sie gestern ihren ersten Probetag hatte. Und so richtig rund lief es wohl noch nicht.😶‍🌫️

Es war ziemlich viel los heute und der Laden war brechendvoll. Das ist natürlich gut für den Umsatz und das Trinkgeld der hart arbeitenden Angestellten. Aber dafür war die Tanzfläche auch oft zu voll. Aber zwischendurch ergab sich doch die eine oder andere Gelegenheit um etwas gegen meinen Bewegungsdrang zu tun. Meine Frau tanzte ab und zu mit, aber Marion war da etwas ehrgeiziger. Hin und wieder gesellten sich auch Jacqueline und Christel zu uns. Aber oft tanzte ich einfach für mich allein.

Doch meist blieb ich nicht lange allein. Mehrere Typen tanzten mich an. Einen davon kannte ich bereits, der hatte schon mal einen Narren an mir gefressen. Er trug wie immer seine helle Jacke und war sturzbetrunken. Da war aber noch ein anderer mit einer schüchternen Trans-Freundin, beide aus dem arabischen Raum. Er machte mir Komplimente und wir tanzten eine Weile zu dritt. Er nannte mir sogar seinen Namen, irgendwas Französisches wie Geneviève. Dann ergriff er meine Hände und ich ließ mich von ihm führen. Es war kein Discofox oder etwas in der Art, sondern mehr so ein fröhliches Rumgehopse. Aber ich absolvierte sogar das eine oder andere Damensolo unter seinem Arm hindurch.💃

Und als ich einmal vor dem Damenklo warten musste, sprach mich ein Schwarzer junger Mann an und fragte, nach meinem Facebook-Namen. Ich verriet ihn und er schien danach erfolglos zu suchen. Denn gab er mir sein Handy und wollte, dass ich meine Telefonnummer eingebe. Das habe ich natürlich nicht gemacht. Stattdessen habe ich seine Telefon-App beendet und Facebook aufgerufen. Dort wollte ich gerade meine Seite aufrufen, da merkte er, was ich tat und riss mir sein Handy aus der Hand. Vielleicht hatte er Schiss, dass ich etwas sehen konnte, was ich nicht sehen sollte.😜

Ein anderes Mal am gleichen Ort wurde ich von einem anderen jungen Schwarzen angesprochen. Ich hatte ihn bereits gesehen, als er den Club betrat, denn zu dem Zeitpunkt stand ich gerade mit ein paar Leuten vor der Tür und rauchte einen Joint. Er war offensichtlich zum ersten Mal hier und leicht verwirrt. Der Türsteher musste ihm mehrfach erklären, wie das mit dem Mindestverzehr und der Bezahlung läuft. Als ich ihn vor den Klos wieder traf, war er offenbar auf der Suche nach einem Darkroom. Auf Englisch fragte er mich, ob man hier irgendwo ficken könne und ich versuchte ihm zu erklären, dass das hier nicht diese Art von Club sei. Dann zog er von dannen und ich erledigte mein Geschäft.

Zwischendurch wollten meine Frau und ich eine Runde Shots für unsere neuen Freunde ausgeben. Marion fand das ungewöhnlich, weil das heutzutage ja keiner mehr mache. Aber wir bestellten trotzdem. Ulla bewies viel Geduld, als sich Marion, Jacqueline und Christel sich nicht so recht entscheiden konnten. Und dann haben wir sie sogar vergessen. Das ging natürlich gar nicht und ich eilte hinter ihr her an die Bar und sagte ihr, sie solle sich auch einen für sich bestellen.

Überhaupt war die Gute heute sehr gesprächig. Je später der Abend wurde, desto häufiger verweilte Ulla im Vorbeigehen kurz an unserem Tisch und wechselte ein paar Worte mit mir oder meiner Frau. Ich glaube, sie hat uns wirklich gern. Aber wir sie ja auch.🥰

Einmal hatte sie nur ein leeres Glas in der Hand und wirkte leicht erschöpft. Es war aber auch echt viel los heute. Ich sagte zu ihr, sie solle sich kurz ausruhen und ich würde ihren Job zu Ende bringen. So nahm ich ihr kurzerhand das Glas aus der Hand und brachte es zu Mia an die Bar zum Spülen. Ein anderes Mal sagten wir ihr, wie wichtig sie für den Betrieb sei und dass sie für uns die wahre Seele des Burgtorclubs verkörpert. Ich zeigte ihr dann noch eine Rezension auf Google Maps, in der sie namentlich erwähnt und gelobt wurde. Ich glaube, Ulla war sogar ein wenig gerührt. Kurz darauf gab sie uns eine Runde Shots aus und meine Frau und ich küssten sie von beiden Seiten auf ihre rauen Wangen.

Es gab aber auch weniger willkommene Gäste an unserem Tisch. Wir waren gerade mitten in einer Unterhaltung mit Christel, Jacqueline und Marion, doch das Gespräch erstarb augenblicklich als der am Eingang verwirrte und hauptsächlich Englisch sprechende Schwarze, der mir auch vor den Klos begegnet ist, zu uns an den Tisch kam. Er versuchte erneut mich anzumachen, aber sein Verhalten war recht eigenartig. Er berührte mich am Arm uns sagte irgendwas Unverständliches. Dann meinte er, ich hätte schöne Hände und imitierte mit einem herrenlosen halben Glas Bier, das jemand anderes auf unserem Tisch stehen gelassen hatte, die Art und Weise, wie ich mein Glas hielt. Ich habe seine recht plumpen Flirtversuche zunächst weitestgehend weggelächelt und ignoriert, doch dann habe ich ihm klar gemacht, dass ich kein Interesse hatte.

Daher versuchte er sein Glück auch bei Marion, Jacqueline, Christel und meiner Frau, doch erwartungsgemäß ließen sie ihn ebenfalls abblitzen. Bis dahin war er einfach nur ein wenig lästig, doch dann wurde immer aufdringlicher und versuchte nun jede von uns Mädels zumindest am Arm zu begrapschen. Wir sagten ihm mehrfach, dass wir das nicht möchten. Aber er meinte nur, dass das in seinem Land okay sei. Ich sagte ihm dann auf Englisch, dass das hier nicht so läuft und er uns jetzt bitte endlich in Ruhe lassen soll. Doch er ließ nicht locker. Er griff erneut quer über den Tisch und wollte wohl Jacquelines Hand ergreifen, doch der Tisch war voller Gläser und es kam wie es kommen musste: Er stieß ausgerechnet Jacquelines fast volles Getränk um und das Glas ging zu Bruch. Glasscherben sprangen in verschiedene Richtungen und der gesamte Inhalt ergoss sich quer über den ganzen Tisch. Mein Handy wurde auch gebadet (zum Glück ist es ziemlich wasserdicht 😌). Es war zwar nur ein Versehen, aber ein sehr plumpes und vorhersehbares. Es gab sofort ein Riesentheater und alle am Tisch schimpften auf den jungen Mann ein. Ulla bekam das Theater mit und war schnell mit einem Lappen zur Stelle. Jacqueline forderte neue Getränke von unserem ungebetenen Gast, weil die anderen Gläser nun Glassplitter enthalten könnten. Doch Ulla meinte, sie würde das schon regeln. Wenige Augenblicke später kam sie mit einem ganzen Tablett voller neuer Getränke, die "aufs Haus" gingen, zurück. Da bemerkte sie, dass sie mich vergessen hatte. Ich erwiderte, dass sei okay, da mein Glas ohnehin schon leer war, als das Unglück passierte. Aber sie bestand drauf und brachte mir trotzdem ein volles. Erwähnte ich bereits, dass Ulla ein echter Schatz ist? 😍

Unser Schwarzer "Freund" entschuldigte sich zwar, doch wir hatten nun wirklich und endgültig genug von ihm. Nach einem mehrfachen "Go away!" zog er endlich ab.

Besonders Jacqueline war nach dieser Begegnung emotional aufgewühlt, aber auch Christel sah ein wenig mitgenommen aus. Ich versuchte sie zu beruhigen und sagte, dass hier im Club absolut nichts passieren kann, denn ein Wort von uns an Ulla, Mia oder den Türsteher genügt und der Typ fliegt achtkantig raus. Das geht ganz schnell bei Leuten, die sich nicht benehmen können. Aber ich musste auch zugeben, dass ich so ein hohes Maß an Aufdringlichkeit und Ignoranz hier auch noch nicht erlebt hatte.

Nach diesem Ereignis war die Stimmung deutlich gedrückter als zuvor. Es war schon spät und nicht mehr so voll wie vorher, aber dadurch war auch endlich mehr Platz zum Tanzen da, was ich und Marion mit Freude ausnutzten.

Da entdeckte ich Jane an der Bar. Sie stand dort mit einer kleinen Asiatin und einer recht hochgewachsenen Trans-Frau. Ich hatte beide schon mal im Burgtor gesehen, bisher aber noch keinen Kontakt gehabt. Sie machten gerade ein paar Selfies mit dem Handy. Ich begrüßte Jane und die Asiatin wollte sogleich ein paar Fotos von uns zusammen machen. Sie sprach nur gebrochen deutsch, bezeichnete mich aber als "schöne Frau". Sie wollte mir die Fotos schicken und wir tauschten unsere Handynummern aus. Außerdem erfuhr ich, dass sie Sissy heißt und aus Thailand kommt. Ich erzählte ihr spontan, dass ich mal eine angeheiratete Tante aus Thailand hatte. Einen Tag später schickte sie mir ihre Bilder per WhatsApp und fragte dabei gleich, ob ich am nächsten Wochenende wieder im Burgtor wäre. Ich glaube, da tut sich gerade eine neue Freundschaft auf.🥰

Es war schon fast fünf Uhr und meine Frau ging an die Bar um unsere Rechnung zu bezahlen. Kurz darauf kam sie zu mir und meinte, ich solle mal eben mit an die Bar kommen. Ich dachte schon, es gäbe irgendein Problem. Aber stattdessen gab Mia uns noch eine Runde Shots aus. Ulla trank natürlich auch noch einen mit.

Lilith stand immer noch hinter der Bar und sah ein wenig geschafft aus.  An unserem Tisch habe ich ja nicht so viel davon mitbekommen, aber es gab bestimmt viel zu tun. Ich fragte sie, wie ihr die Arbeit gefallen würde und sie meinte, dass es ihr Spaß machen würde. Ich wünschte ihr weiterhin viel Erfolg und ich verabschiedete mich uns von Lilith, Mia und Ulla.

Draußen vor der Tür warteten die anderen und die nächste große Verabschiedungsrunde auf mich. Wir versicherten uns gegenseitig, dass dies garantiert nicht unsere letzte Zusammenkunft gewesen ist und gingen unserer Wege. Für meine Frau und mich endete der Abend mit ein paar Chicken Nuggets nach einem kurzen Abstecher zu McDonald's.


weiter mit Fünfzehnter Besuch im Burgtorclub (Karsamstag 2024)


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