CSD "RuhrPride" Essen (3. August 2024)
Die RuhrPride in Essen war für mich ein ganz besonderer CSD, denn hier war ich Teilnehmer der offiziell angemeldeten Demonstrationsgruppe meines Arbeitgebers. Ich hatte zwar bereits bei diversen Gelegenheiten einige meiner Kollegen über meine Transidentität aufgeklärt, aber im beruflichen Umfeld bin noch nie als Mina in Erscheinung getreten. Das sollte sich heute ändern.
Weil mussten pünktlich um 11:30 am Aufstellplatz bei den Essener Grugahallen sein, daher habe ich bereits am Vortag mit meinen Vorbereitungen angefangen (Ganzkörperrasur, duschen, Haare einlegen, Fingernägel gestylt). Unsere T-Shirts hatten wir bereits am Donnerstag im Büro abgeholt. Ich wollte mein Outfit auf jeden Fall darauf abstimmen.
Das T-Shirt meiner Firma war königsblau mit einem Aufdruck in Regenbogenfarben. Dazu trug ich meinen neuen kurzen Jeans-Minirock in Metallic-Optik von Esprit, zu dem ich auch die passende Jacke besaß, meine Regenbogen-Netzstrumpfhose und meine neuen Keilsandaletten in schieferblauer Jeansoptik von Rieker. Auf meiner Lockenmähne saß ein Einhorn-Haarreifen und auf meiner Wange hatte ich ein Herz aus Glitzer in den Genderfluid-Farben.
Wir kamen pünktlich am Aufstellort an und fanden auch ganz in der Nähe einen kostenfreien Parkplatz. "Wir", das waren meine Frau, unser Transsohn, sein Freund, unsere Hündin und ich. Für unsere kleine Spitz-Dame hatten wir wieder den Hundewagen dabei, der uns schon in Recklinghausen und Duisburg gute Dienste geleistet hatte.
Wir erreichten unsere Gruppe mit der Startnummer 20 und sagten Hallo. Ich schaute in die Runde, doch die meisten Kollegen waren mir unbekannt, was bei einem Großkonzern nicht ungewöhnlich ist. Aber ein paar bekannte Gesichter waren dabei, wie z.B. Hauptorganisator Tobias, PA Janina, von der wir am Donnerstag die T-Shirts abgeholt haben und mit der wir uns lange unterhalten hatten, oder unser Betriebsratsvorsitzender Chris. Weil wir uns schon seit vielen Jahren gut kennen, bin ich direkt zu ihm hin und habe ihn persönlich begrüßt. Er war von meinem Erscheinungsbild überrascht, reagierte aber überaus positiv, was genaugenommen ja auch bei einem CSD nicht anders zu erwarten war.🙃
Wir hatten noch etwas Zeit, bevor es losging. Diese nutzen wir, um noch Aufkleber mit einem QR-Code, der auf unsere LGBT*IQ-Seite verwies, auf kleine Gummibärchentütchen und Pustefix-Dosen zu kleben. Es waren zwar gebrandete Werbeartikel des Unternehmens, jedoch ohne queeren Bezug. Daher die Aufkleber. Jeder von uns stattete sich mit einem Beutel voller Giveaways zum Verteilen aus. Weitere Vorräte führte die Gruppe in einem Bollerwagen mit. Außerdem hatten wir ein Begleitfahrzeug mit einer Musikanlage, kalten Getränken und Snacks.
Erwartungsgemäß startete die Demo mit einer leichten Verzögerung von gut 20 Minuten. Die Strecke verlief die Rüttenscheider Straße und die Huyssenallee entlang bis zum Hauptbahnhof. Von dort ging es weiter über die Hindenburgstraße bis zum Kennedyplatz. Unterwegs habe ich, wie die meisten anderen auch, unsere Geschenke an die Zuschauer am Wegesrand verteilt und teilweise auch an wartende Autofahrer, die uns passieren lassen mussten. Die meisten haben sich freundlich bedankt, aber einige wenige haben sich geweigert, etwas von unserer Firma geschenkt zu bekommen. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass unser Ruf in der Öffentlichkeit nicht der Beste ist, auch wenn das meiner Meinung nach völlig unbegründet ist.
Aber davon ließ ich mir nicht die Laune verderben. Die allgemeine Stimmung, das Wetter und die Musik waren zu gut dafür. Ich legte den einen oder anderen Meter eher tanzend als laufend zurück und unterhielt mich zwischendurch angeregt mit den anderen Demoteilnehmern aus meiner Gruppe. Etwa die Hälfte der Strecke lief ich ganz vorne mit und habe mitgeholfen, unser Banner zu halten. Unser Fotograf hat viele Fotos gemacht und auch sehr viele von mir. Auf dem Kennedyplatz machte er außerdem noch zwei O-Ton-Aufnahmen von mir, die er in ein Video schneiden wollte. Ich bin gespannt auf die Veröffentlichung und die Reaktionen von anderen Kollegen, wenn sie mich auf den Bildern wiedererkennen.
Meine Frau integrierte sich ebenfalls gut in die Gruppe und hatte ebenfalls viel Spaß daran, die Geschenke zu verteilen. Sie unterhielt sich sogar mit ein paar asiatischen Kollegen auf Englisch. Unser Kind und sein Freund kümmerten sich die meiste Zeit um unser Hündchen.
Am Ziel angekommen stellten wir uns noch einmal für ein Gruppenfoto auf und bevölkerten den nächstbesten Getränkewagen. Ich hatte mich zwar freiwillig für den Dienst am Infostand gemeldet, aber weil die Anmeldefrist verpasst wurde, hatten wir keinen. Daher war der offizielle Teil für unsere Gruppe soweit beendet. Manche machten sich direkt auf dem Heimweg, andere blieben noch. Die Organisatoren des Events sammelten unsere Demoschilder ein und brachten sie mit dem Bollerwagen weg.
Ich schaute auf die Uhr, denn da war ja noch diese "Modenschau der Diversität", zu der ich beim CSD in Duisburg eingeladen wurde. Das Problem war, dass die Location nicht gerade um die Ecke war. Wenn ich rechtzeitig dort sein wollte, müsste ich gleich los. Aber die Kinder hatten Hunger und ich wollte noch ein bisschen Zeit mit meinen Kollegen verbringen. Daher entschied ich mich, meine Teilnahme an der Modenschau per WhatsApp abzusagen, so gern ich den Spaß auch mitgemacht hätte.
Meine Frau ging mit den Kindern ins Sausalitos während ich mich wieder zu meinen Kollegen gesellte. Ich hatte noch keinen Hunger. Außerdem gab Janina einen aus, und da konnte ich doch unmöglich Nein sagen. Und dann war da noch ein Cocktailstand, dem ich auch noch einen Besuch abstatten wollte.
Die Zeit verging wie im Flug und meine Familie war bald vom Essen zurück. Wir blieben noch eine Weile bei meinen übrig gebliebenen Kollegen und verabschiedeten uns dann, um uns die Infostände anzuschauen und ein wenig shoppen zu gehen.
Im Lego-Store gab es eine Aktion, bei der man sich eine kostenlos eine Pride-Flagge bauen konnte. Das habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Und im Think Twice Second-Hand-Laden habe ich ein blaues, raffiniert geschnittenes Abendkleid anprobiert und mitgenommen, das beim nächsten Clubbesuch garantiert einige Blicke auf sich ziehen wird.
Die Kinder hatten bald keine Lust mehr und wollten mit unserer Hundedame nach Hause nach Hause. Weil ich in Essen arbeite, kenne ich mich dort einigermaßen aus und erklärte Ihnen, wie sie ihr Ziel mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen konnten. Wir gingen noch gemeinsam zur U-Bahn-Station Berliner Platz. Die Kinder fuhren von dort zum Hauptbahnhof. Meine Frau und ich nahmen eine andere Bahn zur Grugahalle, um unser Auto abzuholen und damit direkt am Kennedyplatz zu parken. Wir wollten das Fest noch weiter genießen und ich wollte um 21 Uhr auf jeden Fall noch Marcella Rockefeller sehen, die ich schon beim CSD in Recklinghausen ziemlich geil fand.
Außerdem hatte ich Hunger auf eine Currywurst. Wir trafen Janina und einen anderen Kollegen wieder, der sich als Marco vorstellte, und verbrachten einen launigen Abend gemeinsam mit ihnen, ein paar Cocktails, Proseccos und einigen Kleinen Feiglingen.🥂
Marco verabschiedete sich als erster. Janina blieb noch, bis Marcella ihren ersten Song beendet hatte und ging dann ebenfalls nach Hause. Meine Frau und ich hörten uns das Konzert noch bis zum Ende an und machten auch die anschließende Schweigeminute mit, bei der jede*r ein leuchtendes Knicklicht in die Höhe hielt. Danach sang Marcella noch ein Duett mit Dieter Kiesewetter von der Aidshilfe Essen. Und er hat sauber abgeliefert. Es war genau der Song, bei dem ich schon in Recklinghausen Pipi in den Augen hatte ("Original"). Und heute ist es wieder passiert.🥲
Wir sind dann kurz danach zum Auto gegangen und meine Frau hat uns nach Hause gefahren. Unterwegs habe ich meine Nachrichten am Handy gecheckt. Jacqueline und Maryon wollten heute eigentlich auch nach Essen kommen, hatten aber bereits am Vortag abgesagt. Aber Pavlos hatte zugesagt, mit Eddie zu kommen und Mary meinte sogar, sie würde an der Essener Philharmonie stehen. Am Ende war keiner von ihnen dort, was ein bisschen enttäuschend war.
Aber Mary hatte geschrieben, sie würde heute Abend in Dortmund sein. Weil ich noch so gut drauf war, wollte ich nicht schon wieder einen CSD vor Mitternacht beenden und verabredete mich mit ihr spontan im Burgtorclub. Meine Frau hatte zwar keine Lust, fuhr mich aber wenigstens dorthin. Vorher hielten wir aber noch bei McDonalds an der Ausfahrt Dückerweg für eine kleine Stärkung.
Um kurz vor Mitternacht kamen wir schließlich am Burgtorclub an. Was dort passiert ist, ist hier beschrieben: 22. Besuch im Burgtorclub.
weiter mit CSD Dortmund (September 2024)