Mina K.
Zwischen zwei Welten

Fünfzehnter Besuch im Burgtorclub

Diese Erzählung ist ein Teil von Mina allein über Ostern 2024.

30.03.2024 (Karsamstag)

Der heutige Tag stand mal wieder ganz im Zeichen des Burgtorclubs. Ich hatte bereits mehrere Verabredungen. Zum einen wieder mir Jacqueline, Maryon und Christel, die ich vor etwa einem Monat kennen lernte. Sissy, deren Nummer ich erst seit zwei Wochen habe, wollte etwas später kommen. Pavlos hatte schon gestern gesagt, dass er käme. Und natürlich war ich ganz gespannt auf mein Blind Date mit Rabea, das wir letzten Donnerstag ausgemacht haben.

Zum Glück hatte ich noch viel Zeit bis dahin und ich konnte meine Vorbereitungen ganz in Ruhe angehen. Dazu gehörte, dass ich bis 12 Uhr mittags ausschlief und mir zum Frühstück nur eine warme schwarze Leggings mit Strasssteinen an den Seiten und einen übergroßen und bequemen lila Longpullover anzog, um nicht zu frieren. Für eine gute Grundlage beim abendlichen Trinken gönnte ich mir heute gebratenen Speck zum Frühstück und später am Tag eine fette Tiefkühlpizza.

Im Laufe des Tages meldete sich Pavlos erneut und erzählte, was er heute so gemacht hatte. Ich glaube ja, er steht ein bisschen auf mich, so oft wie er sich bei mir meldet. Wir plauderten eine Weile und er bestätige erneut, das wir uns heute Abend sehen würden.

Geduscht und rasiert stand ich schließlich vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was ich heute anziehen sollte. Der Diva in mir widerstrebte es, ein Outfit zweimal zu tragen. Irgendwann würde das sicher passieren müssen, wenn ich weiterhin so oft dort hingehe. Aber dieser Tag war nicht heute.

Ich entschied mich den Temperaturen angemessen für ein langes, sehr eng engliegendes Kleid in einer Farbe, die ich googeln musste: dunkle Goldrute. Ich war schlank genug, um so etwas tragen zu können und die fehlenden Kurven mogelte ich mit den üblichen Tricks dazu. Die gefütterte Fake Legs Thermostrumpfhose darüber verhinderte, dass sich etwas unter dem Stoff meines Kleides abzeichnen konnte. An den Füßen trug ich meine schwarzen Lieblings-Pumps mit Keilabsatz und an den Ohren recht auffällige weiß-goldene Ohrringe in der Form von Hanfblättern.

Mit meiner Frisur war ich recht lange beschäftigt. Ich versuchte es wie meine Frau mit einem Lockenstab und benötigte mehrere Anläufe, bis ich einigermaßen zufrieden war. Fertig geschminkt, mit gepackter Handtasche und angezogenem Mantel wartete ich ab 20 vor neun auf mein Taxi, dass ich bereits per App für 20:45 vorbestellt hatte. Ich wollte diesmal etwas früher als sonst in den Club, weil Rabea auch gegen 21 Uhr dort sein wollte.

Das Taxi kam pünktlich. Ein bisschen aufgeregt war ich schon noch und stieg daher hinten ein. Das war eigentlich quatsch, denn so oder so bemerkte der Fahrer natürlich, was ich war. Er war aber sehr freundlich und erzählte, dass wir fast Nachbarn seien. Er wohnte nur ein paar Häuser weiter die Straße rauf. Am Ende gab er mir seine Visitenkarte. Falls ich mal wieder eine Taxi benötige, sollte ich ihn direkt anrufen.

Auf der Straßenseite gegenüber vom Burgtorclub stieg ich aus. Mein Fahrer hätte auch den Umweg gemacht und mich auf die andere Seite gefahren, doch ich lehnte ab. Nachdem ich zu feige war, vorne einzusteigen, wollte ich jetzt wenigstens die paar Meter selbst laufen.

Wie üblich richteten sich beim Betreten der Bar fast alle Blicke auf mich. Wie erwartet war noch nicht sehr viel los. Ich schaute in die Runde und erblickte Ulla hinter der Bar und ein paar Gäste am Tisch hinten rechts und am Tresen, unter anderem eine ältere Dame mit kurzen grauen Haaren. Ich kam gar nicht dazu, sie zu begrüßen, denn Ulla stürmte direkt auf mich zu und begrüßte mich wie üblich herzlich mit Küsschen. Sie fragte noch: "Wie immer?" und ich bestätigte.

Ich ging zu der älteren Dame und fragte, ob sie Rabea sei. Natürlich war sie es und wir begrüßten uns richtig. Ulla stellte mir meinen Captain-Cola auf einen Bierdeckel. Bevor sie mir meinen Verzehrschein gab, wollte sie noch meinen Namen drauf schreiben. "Nina war richtig, oder?", fragte sie und ich musste sie wieder mal korrigieren und ihr erklären, dass es Mina mit M wie Martha heißt.😂

Rabea und ich nahmen unsere Getränke und setzten uns an den Tisch rechts vom Eingang. Jacqueline hatte mich sowieso gebeten, genau diesen Tisch für uns zu reservieren. Rabea war 66 Jahre alt und hatte erst vor kurzem nach einem schweren Schicksalsschlag ihre weibliche Seite wieder entdeckt, obwohl es schon immer in ihr steckte. Sie war mir von Anfang an direkt sympathisch. Es war gut, dass wir uns so früh verabredet hatten, denn dadurch konnten wir uns in Ruhe unterhalten und beschnuppern, bevor die anderen kamen.

Die erste war Christel. Sie kam etwa eine halbe Stunde nach mir an, ohne Begleitung, aber dafür mit reichlich Gepäck. Ich begrüßte sie herzlich und stellte sie und Rabea einander vor. Sie hatte eine recht weite Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinter sich und tauschte nun ihre flachen Schuhe gegen ein Paar High-Heels aus ihrem Rucksack aus.

Gegen 22 Uhr betraten Maryon und Jacqueline den Club und gesellten sich nach ausgiebiger Begrüßung und Vorstellung ebenfalls zu uns an den Tisch. Alle unterhielten sich angeregt während Ulla uns fleißig mit Getränken versorgte. Es war eine lustige Runde.😃

Nach weiteren 20 bis 30 Minuten kam Pavlos herein. Ich stand auf um ihn zu begrüßen und ein par Worte zu wechseln. Er wollte nur kurz mit jemandem reden und dann ins gentleM gehen. Er versprach aber, später wieder zu kommen. Außerdem meinte er, das Mary später auch noch käme, was mich sehr freute.

Das Personal der Spätschicht marschierte in Form von Türsteher Ray und den Bardamen Mia, Lisa und Lilith in einer Reihe bereits um viertel vor elf durch das Lokal bis nach hinten in die kleine Küche. Ich klärte Rabea darüber auf, wer die vier waren und witzelte darüber, dass sie heute ausnahmsweise mal pünktlich zum Dienst erschienen sind. Erst vor zwei Wochen hatte sich Ulla bei meiner Frau und mir darüber beschwert, dass die jungen Leute heutzutage oft zu spät kommen.

Das Lokal füllte sich allmählich mit Leuten, so dass Maryon und mir kaum Platz zum Tanzen blieb. Jacqueline und Christel waren heute nicht gar nicht dazu zu bewegen, aber dafür hat sich Rabea getraut. Sie hatte sichtlich Spaß und wurde auf der Tanzfläche sogar von einem Kerl angeflirtet.

Maryon und ich gingen zwischendurch vor die Tür um eine Zigarette zu rauchen. Einmal traf ich dort auf Pavels Freund Mark, den meine Frau und ich Mitte März kennen gelernt hatten, als wir Pavlos zuhause besucht hatten.

Es war bereits nach Mitternacht als Mary sich im Burgtorclub blicken ließ. Sie kam direkt zu uns an den Tisch und integrierte sich gut in die bestehende Gruppe. Mit den anderen  wurden Facebook-Adressen ausgetauscht und gab uns allen sogar eine Runde aus. Wie immer machte sie dabei jede Menge Fotos, die sie später online stellte.

Rabea verabschiedete sich relativ früh von uns. Ich weiß gar nicht mehr so genau, ob sie noch da war, als Mary kam. Auf jeden Fall sagte sie beim Abschied, dass es ihr sehr gut gefallen hätte und das sie mit Sicherheit nicht zum letzten Mal hier war. Einen Tag Tag später schrieb sie mir per WhatsApp, dass sie seit ihrem schweren Schicksalsschlag vor über sechs Jahren nicht mehr so viel Spaß hatte. Das hat mich extrem glücklich gemacht.😇

Als Maryon, Mary und ich mal gemeinsam vor die Tür zum Rauchen ging, trafen wir dort auf Sissy. Ich umarmte sie zur Begrüßung und plauderte kurz mit ihr. Etwas später wagten wir auch mal ein Tänzchen, was Mary ebenfalls fotografisch festhielt.

Aber Mary wäre nicht Mary wenn sie nicht auch mit unzähligen anderen Leuten interagierte. Einige lernte ich ebenfalls kennen, aber ich erinnere mich nicht mehr an alle Namen (bis auf den jungen blonden Mann namens Monique Lamoure), was möglicherweise auch am Alkohol lag. Auch ich ließ mich nicht lumpen und gab zwischendurch eine Runde Shots aus, bei der ich Ulla natürlich nicht vergessen hatte.

Pavlos kam auch irgendwann zurück und hatte zwei junge Männer im Schlepptau, die ich hier noch nie gesehen hatte. Er begrüßte mich zwar, verbrachte den Abend dann aber größtenteils mit seiner neuen Bekanntschaft. Etwas später erzählte er mir, dass er versuche bei dem Größeren von den beiden zu landen. Ich weiß nur noch, dass er aus Hamminkeln kam. Pavlos blieb nicht sehr lange, was möglicherweise auch mit seiner knappen finanziellen Situation zusammenhing.

Als er weg war und ich Hamminkeln auf der Tanzfläche begegnete, fragte ich ihn unverblümt, was er von Pavlos hielt. Seine Antwort fiel sehr positiv aus. Wäre es anders, hätte ich Pavlos davon erzählt, damit er sich keine großen Hoffnungen machte. Eine hochgewachsene blonde Transe in einem roten Kleid, die offenbar ebenfalls eine Bekannte von Mary war, tanzte einen Disco-Fox mit Maryon und stellte sich als anschließend als Elodie vor (wenn ich mich recht erinnere). Zu mir meinte sie, wir sollten uns bei Gelegenheit mal unterhalten.

Durch die Zeitumstellung von 2 auf 3 Uhr morgens war die Nacht eine Stunde kürzer als normalerweise. Aber dafür wurde heute ausnahmsweise um 6 statt um 5 Uhr zugemacht. Dementsprechend kam Ulla auch auch erst gegen 5:45 an unseren Tisch, um abzukassieren. Wir zahlten alle unsere Rechnungen und kurz darauf verabschiedeten sich Christel, Jacqueline und Maryon von Mary und mir.

Ich blieb noch ein wenig, denn Mary hatte bereits angedeutet, in den Don-Club gehen zu wollen. Und dieses Mal wollte ich nicht kneifen, sondern den Laden auch mal kennen lernen. Mary und ich wechselten von unserem Tisch an die Bar, wo ab 6 Uhr nur noch sehr wenige Stammgäste waren.

Ich unterhielt mich mit Lilith und fragte sie, warum sie heute keinen Bardienst hatte. Sie erklärte, dass sie das für eine Weile ruhen lassen, weil ihre geschlechtsangleichende OP kurz bevorstand. Ich wünschte ihr von Herzen alles Gute und knuddelte sie. Ich machte einen Scherz darüber, dass ihre "kleine Lilith" bald weg sein würde, doch sie machte mir klar, dass "sie" mit statten 18 Zentimetern gar nicht so klein sei. Wir fanden beide, dass das auch zu einem gewissen Teil Verschwendung sei und lachten darüber.

Das Licht ging an und Ray sammelte alle Verzehrscheine ein. Aber Mary und ich blieben noch, solange noch andere da waren. Neben Jan, der auch zum festen Inventar gehörte, war auch ein Typ im BVB-Trikot dort, der ein paar Bierchen zu viel hatte. Er hieß Chris und mindestens einmal habe ich ihn aufgefangen, als er umzufallen drohte.

Die resolute Mia forderte die verbliebenen Gäste mehrfach lauthals zum Gehen auf, aber kaum einer machte irgendwelche Anstalten. Ich fand's witzig, hielt mich einfach an Mary und blieb solange ich konnte. Aber um 6:18 (laut Google Standortverlauf) gaben wir schließlich auf und gingen zum Don-Club. Mary wankte ein wenig auf dem Weg, daher legte ich meinen Arm um sie und hielt sie fest. Mir ging es nämlich relativ gut.

Vor dem Don-Club begegneten wir wieder Elodie in ihrem auffälligen roten Kleid. Wir gingen gemeinsam hinein und trafen auf noch mehr Leute, die vorher im Burgtorclub waren. Mary und ich setzten uns rechts an die Bar zu zwei Frauen, die vermutlich aber nicht offensichtlich trans waren. Mary hatte bereits im Burgtorclub Kontakt zu ihnen, ich eher weniger. Wir bestellten etwas zu trinken und unterhielten uns.

Unser Platz war allerdings alles andere als optimal, denn wir blockierten den Zugang zum Damenklo und mussten immer wieder aufstehen, wenn dort jemand hinein wollte, was häufig vorkam. Unter anderem wollten auch zwei Spanisch sprechende junge Frauen aufs Klo, die kaum über Deutschkenntnisse verfügten. Etwas später erfuhr ich, dass sie angeblich aus Kolumbien stammten. Sie waren sehr heiter und ein wenig aufgedreht. Ich versuchte mit meinen armseligen Spanisch-Kenntnissen ein Gespräch mit ihnen, scheiterte aber kläglich. Doch das machte den Mädels nichts aus. Sie fanden es toll das es wenigstens jemand versuchte.

Etwa 15 bis 20 Minuten nach uns, trudelten auch Mia, Lisa, Lilith und Ray im Don-Club ein, nachdem sie den Burgtorclub für heute zugemacht hatten. Laut Mary war das eigentlich immer so. Überhaupt erzählte sie mir an diesem Abend unzählige Geschichten aus der Vergangenheit. Ich hörte wie gebannt zu, aber es war viel zu viel um es hier wiedergeben zu können. Außerdem ist meine Erinnerung daran ziemlich löchrig.😵

Als die Couch an der Tanzfläche frei wurde, wechselten wir dorthin, damit wir nicht jedes Mal aufstehen mussten, wenn eine Frau ein Bedürfnis hatte. Außerdem war der Platz deutlich bequemer und besser geeignet für Marys Geschichten.

Irgendwann, es muss schon nach 8 Uhr morgens gewesen sein, kam es zu einem Eklat. Mit einem Mal fing der Barmann namens Madonna plötzlich an, die Kolumbianerinnen anzuschreien. Sie sollten aus dem Laden verschwinden. Doch vermutlich verstanden sie aufgrund der Sprachbarriere gar nicht, was er von ihnen wollte. Die Lautstärke, die er an den Tag legte, wenn er "Hausrecht" brüllte, half da auch nicht weiter. Weil die Damen nicht angemessen reagierte, wollte er auf sie losgehen und wurde dabei von drei Männern zurückgehalten. Zwischendurch lag sogar einer von ihnen am Boden. Er stand auf, zog seinen roten Sweater aus und legte ihn wortlos neben mir auf die Couch bevor er zurück an den Ort des Geschehens ging. Irgendwer redete ruhig auf die Frauen ein und sie verließen das Lokal. Ich weiß bis heute nicht, was da eigentlich vorgefallen ist. Aber egal was es war, Madonnas Verhalten war völlig inakzeptabel, Hausrecht hin oder her.

Der Typ mit dem roten Sweater kam zurück an unsere Couch und wir unterhielten uns über den Vorfall. Aber entweder wusste er auch nicht, was das Problem war oder er wollte es uns nicht sagen. Ich vermute allerdings ersteres. Jedenfalls erfuhren wir, dass er Dennis hieß. Und er hatte offenbar Interesse an Mary, denn er baggerte sie unverhohlen an. Sie ging sogar darauf ein, aber am Ende ist dennoch nichts bei rausgekommen.

Nach dem Vorfall war die allgemeine Stimmung leicht gedämpft. Ich war auch ziemlich müde und wollte nur noch nach Hause. Gegen 9:30 Uhr verließen wir den Club und gingen zum Dortmunder Hauptbahnhof. Am Taxistand verabschiedete ich mich von Mary. Sie ging weiter zum Bahnhof und ich fuhr mit einem Taxi nach Hause. Diesmal stieg ich vorne ein. 


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